Reid Anderson

Ehemaliger Intendant

Reid Anderson

Ehemaliger Intendant

Vita

Reid Anderson, seit September 1996 Ballettintendant des Stuttgarter Balletts, blickt auf eine lange und erfolgreiche Karriere als Tänzer, Lehrer, Trainer, Produzent und Ballettdirektor zurück.

Anderson wurde am 1. April 1949 im kanadischen New Westminster, British Columbia, geboren und begann seine Tanzausbildung an der Dolores Kirkwood Academy in Burnaby. Im Alter von 17 Jahren erhielt er ein Stipendium für ein Studium an der Royal Ballet School in London, England. Ein Jahr später wurde er Mitglied beim Stuttgarter Ballett, das zu jener Zeit John Cranko als Ballettdirektor leitete.


Der Tänzer Reid Anderson


Während seiner 17-jährigen Karriere am Stuttgarter Ballett tanzte Reid Anderson, der 1974 zum Solisten und 1978 zum Ersten Solisten befördert wurde, in vielen klassischen und zeitgenössischen Stücken und arbeitete mit führenden Choreographen des 20. Jahrhunderts. Unter ihnen John Cranko, Sir Kenneth MacMillan, Glen Tetley, John Neumeier, Jiří Kylián und William Forsythe, die Rollen für ihn kreierten.

Er tanzte Hauptrollen in einer Vielzahl von John Crankos Werken wie Onegin, Der Widerspenstigen Zähmung, Romeo und Julia und Initialen R.B.M.E.. Anderson war bekannt für seine überzeugende Interpretation von Charakteren, seine Eleganz und besonders für sein Geschick in der Kunst des Partnerns. Er war ein begehrter Partner vieler weltweit bekannter Ballerinen, unter ihnen Marcia Haydée, Karen Kain und Natalia Makarova. Als Gast trat er unter anderem beim Royal Swedish Ballet, dem London Festival Ballet, dem Ballett der Mailänder Scala, dem Hamburger Opernballett, dem National Ballet of Canada und an der Prager Staatsoper auf.


Reid Anderson als Ballettdirektor

Von August 1987 bis Juni 1989 war Reid Anderson Ballettdirektor des Ballet British Columbia in Vancouver und wurde im Juli 1989 zum Ballettdirektor des National Ballet of Canada in Toronto ernannt. In sieben Spielzeiten erwarb er für das dortige Repertoire wichtige Stücke von Choreographen wie George Balanchine, Anthony Tudor, Jerome Robbins, Frederick Ashton, Kenneth MacMillan, Jiří Kylián, Paul Taylor, Ben Stevenson und John Cranko. Er beauftragte außerdem William Forsythe (The Second Detail), John Neumeier (Now and Then) und Glen Tetley (Oracle) mit Arbeiten für das National Ballet of Canada. Auch zahlreichen jungen Choreographen gab Anderson die Möglichkeit, Werke für seine Compagnie zu schaffen.


Als Intendant des Stuttgarter Balletts

1996 kehrte Reid Anderson als Künstlerischer Direktor zum Stuttgarter Ballett zurück und wurde am Ende dieser Spielzeit zum Ballettintendanten ernannt, einer der ersten und bis heute wenigen Ballettintendanten der Bundesrepublik. In seiner ersten Spielzeit verjüngte er die Stuttgarter Compagnie mit 21 neuen Tänzern, was den renommierten Tanzkritiker Horst Koegler zu dem Kommentar veranlasste: „Das jetzige Stuttgarter Ballett ist das beste Stuttgarter Ballett der letzten fünfunddreißig Jahre". Von Anfang an verfolgte Reid Anderson eine Repertoiregestaltung, bei der neben der Pflege des Cranko-Erbes, der hohen Schule des klassischen Balletts sowie die Werke etablierter zeitgenössischer Meister, die Entdeckung und Förderung junger choreographische Talente breiten Raum einnehmen. Mehr als 100 Uraufführungen, darunter 8 abendfüllende Handlungsballette, von Choreographen der jüngeren Generation kamen unter Andersons Ägide auf die Bühnen von Opernhaus, Schauspielhaus und Kammertheater.

Für viele Choreographen wurden ihre Stuttgarter Uraufführungen zum Meilenstein auf dem Weg zur internationalen Anerkennung. Dies gilt nicht zuletzt für die beiden ehemaligen Hauschoreographen Christian Spuck und Demis Volpi, sondern auch für den aktuellen Hauschoreographen Marco Goecke, der von Reid Anderson entdeckt und gefördert wurde. Alle drei sind inzwischen weltweit gefragte Künstler.

Weitere Choreographen, die Reid Anderson in den letzten 20 Jahren mit Uraufführungen für das Stuttgarter Ballett beauftragte, sind u.a. Sidi Larbi Cherkaoui, Wayne McGregor, Mauro Bigonzetti, Kevin O'Day, Itzik Galili, David Bintley, Uwe Scholz, Jean Christophe Blavier, James Sutherland, Pascal Touzeau, Trey McIntyre, Dominique Dumais, Marguerite Donlon, Daniela Kurz, John Alleyne, Marc Spradling, Matjash Mrozewski, Nicolo Fonte, Edward Clug, Douglas Lee, Bridget Breiner, Louis Stiens und Katarzyna Kozielska.

Zusätzlich bereichert Reid Anderson das Repertoire des Stuttgarter Balletts durch die Übernahme erfolgreicher und bedeutender Werke bekannter Choreographen wie George Balanchine, Jerome Robbins, William Forsythe, Uwe Scholz, John Neumeier, Daniela Kurz, James Kudelka, Frederick Ashton, Paul Lightfoot und Hans van Manen, von dem das Stuttgarter Ballett mittlerweile mehr als 20 Werke im Repertoire führt.

Neben der Uraufführung neu geschaffener Werke, der Stärkung des Repertoires im Bereich der modernen Klassik und der zeitgenössischen Choreographie pflegt Anderson das Werk John Crankos als Schwerpunkt im Spielplan des Stuttgarter Balletts. Nicht nur im Stuttgarter Opernhaus, sondern auch auf den weltweiten Tourneen der Compagnie spielt die Compagnie Romeo und Julia, Der Widerspenstigen Zähmung und Onegin stets vor ausverkauften Häusern. Seit Beginn seiner Intendanz führte Reid Anderson die Compagnie auf ausgedehnte und außerordentlich erfolgreiche Gastspielreisen unter anderem in die Kulturmetropolen Paris, London und New York sowie ans Bolschoi Theater in Moskau, nach San Francisco und in weitere Städte in Japan, nach Bangkok, Madrid, Palermo, Turin und weitere Städte in Italien, Kairo und Oman.

Im Laufe seiner Intendanz hat Reid Anderson außerdem zahlreiche großartige tänzerische Talente entdeckt, sie konsequent und weitsichtig gefördert und letztendlich zu echten Stars aufgebaut, die nicht nur in Stuttgart, sondern auf der ganzen Welt vom Ballettpublikum bewundert werden und die das Stuttgarter Ballett immer wieder auf internationalen Bühnen representieren. Viele Karrieren hat Reid Anderson auch dann noch entscheidend geprägt, wenn sich seine Tänzer, bzw. Choreographen vom Stuttgarter Ballett verabschiedet haben: Prominentestes Beispiel dafür sind diejenigen aus Andersons Compagnie, die inzwischen eigene Ballettensembles leiten und damit einen großen und mutigen Schritt gegangen sind, bei dem der Ballettintendant sie tatkräftig unterstützt hat: Sue Jin Kang (Direktorin des Koreanischen Nationalballetts), Filip Barankiewicz (Direktor des Tschechischen Nationalballetts in Prag), Bridget Breiner (Direktorin des Ballett im Revier in Gelsenkirchen), Eric Gauthier (Direktor von Gauthier Dance in Stuttgart) und Robert Conn (ehemaliger Direktor des Ballett Augsburg).

Ein weiteres Anliegen, für das sich Anderson seit Beginn seiner Intendanz eingesetzt hat, ist die enge Anbindung der John Cranko Schule an das Stuttgarter Ballett, ein Bestreben, von dem Schule und Compagnie seitdem gleichermaßen profitiert haben: Die John Cranko Schule zählt zu den besten internationalen Ausbildungsstätten für professionelle Tänzer, deren erstklassige Absolventen inzwischen mehr als zwei Drittel des Ensembles des Stuttgarter Balletts ausmachen, unter ihnen die Ersten Solistinnen Alicia Amatriain, Hyo-Jung Kang und Anna Osadcenko sowie die Solisten Ami Morita, Angelina Zuccarini, Martí Fernández Paixà und Adhonay Soares da Silva. Im Jahr 2019 wird Andersons unermüdlicher Einsatz für die John Cranko Schule weitere Früchte tragen: Dann soll der seit langem benötigte Neubau der Schule eröffnet werden - ein Projekt für das Anderson über 17 Jahre lang gekämpft hat, um die Rahmenbedingungen für die Schüler auf weltweites Niveau anzuheben.

Einstudierung von Cranko-Ballette weltweit

Reid Anderson ist außerdem weltweit unterwegs, um Crankos Meisterwerke mit bedeutenden Ballettcompagnien rund um den Globus einzustudieren, unter ihnen das American Ballet Theatre in New York, das Australian Ballet in Melbourne, das Staatsballett Berlin, das Hamburg Ballett, das La Scala Opera Ballet in Mailand, das Teatro Colón in Buenos Aires, das Boston Ballet, das Römische Opernballett, das Norwegische Nationalballett, das Londoner Royal Ballet, das Ballett der Wiener Staatsoper und das Chinesische Nationalballett, Peking.


Auszeichnungen

Im Februar 2006 erhielt Reid Anderson den Deutschen Tanzpreis für seine Verdienste um den künstlerischen Tanz in Deutschland. Mit der Vergabe würdigten der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. und der Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland e.V. zum einen die Pflege des Cranko'schen Erbes beim Stuttgarter Ballett und zum anderen die erfolgreiche Nachwuchsförderung und Repertoirepolitik Reid Andersons. Im Dezember 2013 erhielt das Stuttgarter Ballett unter seiner Intendanz den Europäischen Tanz-Kulturpreis. Im April 2009 wurde Reid Anderson die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen.

Im Juli 2018 wird Reid Anderson auf eigenem Wunsch die Intendanz des Stuttgarter Balletts niederlegen. Er verlässt somit die Staatstheater Stuttgart nach insgesamt 39 Jahre als Tänzer und Intendant.